„Denn es soll […] etwas wirklich Großes geleistet werden.“
Erwin Ratz und die Internationale Gustav Mahler Gesellschaft*
„Die Arbeit für Mahler bedeutet einen Teil meiner Lebensaufgabe und ist mir eine besondere Herzenssache“, so Erwin Ratz (1898–1973) am 27. März 1955, sieben Monate und fünfzehn Tage vor der konstituierenden Generalversammlung der Internationalen Gustav Mahler Gesellschaft (IGMG) am 11. November 1955 in einem Brief an das Niederösterreichische Tonkünstlerorchester:
Sie haben mit der in jeder Hinsicht hervorragenden Aufführung der V. Symphonie[1] von Gustav Mahler nicht nur mir persönlich eine ganz große Freude bereitet (die Arbeit für Mahler bedeutet einen Teil meiner Lebensaufgabe und ist mir eine besondere Herzenssache). Sie haben nicht nur bewiesen, welch grandioser Leistung Ihr Orchester fähig ist, Sie haben darüber hinaus wiederum bewiesen, welch eminente kulturelle Bedeutung dem NÖ Tonkünstlerorchester zukommt. Sie haben in diesem Falle jene große Aufgabe erfüllt, die die großen Vereinigungen: die Philharmoniker, die Gesellschaft der Musikfreunde und die Konzerthausgesellschaft bisher in unverzeihlicherweise [sic] vernachlässigt haben. Mahlers Bedeutung beruht gerade auf den großen Instrumentalsymphonien V., VI., VII., und IX.; und alle diese Symphonien sind seit über zwanzig Jahren in Wien nicht mehr aufgeführt worden. Und so ist es Ihnen besonders hoch anzurechnen, daß Sie die Ehre Wiens gerettet haben, und dem Werk des größten österreichischen Symphonikers nach Bruckner eine würdige Aufführung gewährt haben. (Ratz 1955a)
Als Schönberg-Schüler übernahm Ratz – er zählte zu jenem Kreis an Studierenden, die regelmäßig nach Mödling zum Seminar für Komposition pilgerten – die Mahler-Verehrung seines Lehrers.[2] Dazu schrieb er am 9. Oktober 1954 an Wolfgang Irtenkauf, dem Bibliothekar der Württembergischen Landesbibliothek, mit dem er in Briefkontakt stand:
Was die Stellung des Schönberg-Kreises zu Mahler betrifft, so kann ich Ihnen sagen, dass alle Mahler in höchster Verehrung gegenüberstanden. Schönberg selbst trug sich lange mit dem Gedanken über die Neunte selbst ein Buch zu schreiben, aber die Fülle seiner eigenen Arbeiten haben es verhindert. Aus der Widmung der 1. Auflage der Harmonielehre, sowie aus den öffentlichen Briefen Schönbergs an Mahler, können Sie ja ersehen, wie hoch Schönberg Mahler geschätzt und verehrt hat. Ebenso war es auch bei Berg und Webern, die ja Mahler noch persönlich gekannt haben. Webern war einer der besten Mahler-Dirigenten. Ich habe von ihm unvergessliche Aufführungen der II., III., VIII. und vor allem der VI. Symphonie gehört. Leider gibt es heute kaum Dirigenten, die Mahler so interpretieren können, und das ist auch der Hauptgrund, warum es heute den Menschen so schwer fällt, eine Beziehung zu Mahler zu bekommen. Man muss die Werke schon sehr genau kennen, um beurteilen zu können, wie wenig die heutigen Aufführungen vom wirklichen Wesen der Musik Mahlers ahnen lassen. (Ratz 1954a)
Besonderen Eindruck hinterließ auf den damals kaum 20-Jährigen die Interpretation der Sechsten und Siebten Symphonie in Bearbeitungen für Klavier zu vier Händen im Rahmen von Konzerten des Vereins für musikalische Privataufführungen.[3] Einige Jahrzehnte später versuchte Ratz in einem Vortrag anlässlich einer Schallplattenaufführung der Fünften Symphonie im November 1954 seine Studierenden zur eigenständigen Reproduktion der Werke Mahlers zu animieren:
Die Schallplatte ist ein Notbehelf, um sich über gewisse Dinge zu informieren. Aber allein angewendet ist sie ein verhängnisvolles Gift. Sie kommt dem Hang des Menschen zur Passivität so sehr entgegen, daß geradezu eine Lähmung eintritt. Also bitte, wenn wer von Ihnen noch Klavier spielen kann, setze sich mit Freunden hin und spiele diese Symphonien vierhändig; erst dann offenbaren sie ihre ganze Schönheit. (Ratz 1954b, 18)
Schon vor der Gründung der IGMG im Jahr 1955 setzte Ratz all sein Wissen und Können ein, um Gustav Mahler vor dem Vergessen zu retten. Das Aufführungs- und Druckverbot für Komponisten jüdischer Abstammung während der NS-Zeit hatte auch das Werk Mahlers hart getroffen. Notenmaterial war nach 1945 so gut wie nicht erhältlich und wenn ja, in sehr mangelhaftem Zustand (Kubik 2020, 12). Nur wenige Dirigenten wie Bruno Walter oder Willem Mengelberg hatten noch Aufführungen unter Mahler erlebt. Für Ratz war Mahler ein „Heiliger“ (Blaukopf 2005, 12) und „Bahnbrecher für die Neue Musik“ (Ratz 1954b, 6). Nun galt es das Erbe Mahlers an heranwachsende Generationen weiterzugeben und der verbreiteten Ansicht des Eklektizismus der Musik Mahlers entgegenzuwirken. Auch in seiner Funktion als Leiter der Österreichischen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) versuchte er die Verbreitung des Werkes des „bedeutendsten deutschen [sic!] Symphonikers seit Bruckner“ voranzutreiben (ebd., 3).[4] Unter anderem hielt er Schallplattenvorträge an der Akademie (heute Universität) für Musik und darstellende Kunst Wien, nahm im November 1954 Kontakt mit dem Berliner Verlag Bote & Bock auf, um „endlich auch die VII. Symphonie von Gustav Mahler nachzudrucken“ (vgl. Kubik 2020, 9), und kontaktierte Alma Mahler in New York, da er beabsichtigte ein Buch über Gustav Mahler zu schreiben (Blaukopf 2005, 12).
Ratz’ persönlicher Einsatz und seine ausgewiesene Expertise führten zu seiner Wahl als erster Präsident der IGMG.[5] Dies bedeutete die wissenschaftliche Leitung der Gesellschaft. Im Zentrum der Forschung stand das Werk des Komponisten, Biographisches war dagegen sekundär. Drei Bereiche wurden von Ratz als „wissenschaftlicher Ein-Mann-Betrieb“ (NMF 1998) in Angriff genommen: Zum einen galt es, die „Popularisierung“ Mahlers voranzutreiben, und zum anderen wurde mit der Kritischen Gesamtausgabe sowie mit dem Aufbau von Bibliothek und Archiv begonnen (ebd.). Voraussetzungen zur Übernahme dieser Leitungsfunktion waren für Ratz ein „Jahresbudget von mindestens 50.000 S“ und eine „Sekretärin“ – bereits im Dezember 1955 übernahm Emmy Hauswirth diese Stelle.[6]
Sofort stürzte Erwin Ratz sich mit der ihm innewohnenden Akribie und Ausdauer in die Mammutaufgabe. Zu den drei Hauptpfeilern Gesamtausgabe, Bibliothek und Archiv kam noch das große Projekt des Artikels über Gustav Mahler für die Enzyklopädie Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG) hinzu. Dieses – für alle Involvierte – nervenaufreibende Projekt zog sich von 1954 bis 1959 hin und fand für Ratz einen ernüchternden Ausgang. Nachdem die Meinungsverschiedenheiten zwischen Ratz und Friedrich Blume, dem Herausgeber der ersten Ausgabe der MGG, nicht zu überwinden waren, wurde Hans Ferdinand Redlich für den Artikel unter Vertrag genommen (Krones 2010[7]).
Im Folgenden wird ein beispielhafter Einblick in die mannigfaltigen Tätigkeitsbereiche von Ratz’ Präsidentschaft – er leitete die Gesellschaft laut Herta Blaukopf „trotz des demokratischen österreichischen Vereinsrechts ganz kompromißlos als absoluter Monarch“ (Blaukopf 2022, 756) – gegeben.
Werkverzeichnis
1958 kam als erste Druckausgabe ein 16-seitiges Werkverzeichnis heraus. Die Namen Bruno Walter und Erwin Ratz[8] finden sich unter den einleitenden Worten. Ratz sandte Walter einen ersten Textentwurf nach Beverly Hills und zeigte Kompromissbereitschaft bei der Formulierung, als Walter sich weigerte diesen zu unterzeichnen, denn er sah Mahler „doch der gesunden Epoche [sic!] verhaftet“ (Blaukopf 2005, 15) und nicht als Wegbereiter der Neuen Musik. Wie sehr Walter Ratz’ Arbeit trotz Meinungsverschiedenheiten schätzte, geht aus einem Brief, datiert mit 4. Juli 1961, hervor: „Es bedeutet mir ein beglueckendes Erlebnis, die Fuersorge fuer das Werk Mahlers in Ihren Haenden zu wissen – ich koennte mir keine schoenere[n] Zukunftsaussichten wuenschen.“ (Walter 1961)
Kritische Gesamtausgabe
Der Beginn der Kritischen Gesamtausgabe war eine immense Herausforderung, der sich Ratz fast im Alleingang stellte. Als Ratgeber standen ihm Josef Polnauer, Erwin Stein, Friedrich Wildgans und später Karl Heinz Füssl zur Seite.
Da Alma Mahler nicht an einer einheitlichen Aufbewahrung der Manuskripte ihres Mannes interessiert war, wurde weltweit der Versuch unternommen, an die notwendigen Materialien zur Erstellung der diversen Bände der Gesamtausgabe heranzukommen und diese zusammenzutragen. In einer ersten Reaktion untersagte Alma Mahler jegliche Unterstützung ihrerseits für die junge Gesellschaft, änderte jedoch später ihre Meinung (Revers 2023). Eventuell war das auch der Beharrlichkeit von Erwin Ratz geschuldet, er schrieb ihr nämlich, „daß kompromißlos alles für das Werk und die Persönlichkeit Gustav Mahlers geschieht“ (Blaukopf 2005, 13). Ratz verschickte dann auch unzählige Briefe mit der Bitte um Hinweise zum Ausfindigmachen der Manuskripte.
Als erster Band der Kritischen Gesamtausgabe erschien 1960 die Siebte Symphonie, die erstmals 1904 vom Berliner Verlag Bote & Bock auf den Markt gebracht worden war, jedoch über 700 Fehler aufwies (Blaukopf 2022, 758). Da die Rechte bei Bote & Bock lagen, hatte Ratz bereits im November 1954, also ein Jahr vor der Gründung der IGMG, Kontakt mit dem Verlagsleiter Kurt Radecke aufgenommen und war mit seinem Anliegen einer revidierten Ausgabe vorerst auf eine ablehnende Reaktion gestoßen.[9] Auch hier verstand er es, mit der Sache dienenden Argumenten sowie mit ausführlicher insistierender Korrespondenz anfängliche Ressentiments zu überwinden.
Danach erschienen 1962 bis 1964 die Vierte, Fünfte und Sechste Symphonie sowie das Adagio aus der Zehnten und das Lied von der Erde. 1967 gab Ratz eine erweiterte Faksimile-Ausgabe der Entwürfe und Skizzen zur Zehnten Symphonie heraus (Partsch 2005, 6). Im selben Jahr erhielt er den mit 12.000 Schilling dotierten Förderungspreis des Theodor Körner Stiftungsfonds zur Förderung von Wissenschaft und Kunst für die Kritische Gesamtausgabe der Werke Gustav Mahlers. Das Zuerkennungsschreiben vom 23. April 1966 wurde vom späteren Bundeskanzler Bruno Kreisky unterzeichnet (Theodor Körner Stiftungsfonds 1966).
Aufbau des Archivs nach dem Vorbild des Beethoven-Archivs in Bonn
Der Aufbau eines Archivs gestaltete sich äußerst schwierig, da die unterschiedlichen Materialien weltweit verstreut waren. In aufwendiger und mühsamer Kleinstarbeit wurde mit der Kontaktaufnahme und Ausforschung von Personen begonnen, die im Besitz von wichtigen Dokumenten waren, um Photokopien oder vielleicht sogar die Originale zu bekommen. Laut Erich Wolfgang Partsch beherbergte der Bestand damals „Photokopien von Mahler-Autographen, gedrucktes Notenmaterial, Briefkopien, Bücher, Aufsätze, Programme, Bildmaterial und Tonträger.“[10]
Bildung von internationalen Sektionen
Ein weiteres Merkmal der Ratz’schen Präsidentschaft war die Planung einer Gründung von „Sektionen“ der Mahler-Gesellschaft in anderen Ländern. Hier ist der Versuch einer Strukturierung nach dem Vorbild der IGNM zu erkennen, der Ratz in verschiedensten Funktionen bis 1968 angehörte. 1956 erfolgte die Gründung einer Gesellschaft in den Niederlanden unter der Leitung von Herman J. Nieman. Partsch führt auch im gleichen Jahr die Gründung einer Gesellschaft in Deutschland an.[11] Im Archiv der IGMG findet sich umfangreiche Korrespondenz zur Gründung weiterer Mahler-Gesellschaften u. a. in Mexiko und Japan. Der Begriff bzw. die Idee einer solchen Konstituierung von „Sektionen“ der IGMG ist historisch zu sehen, denn weitere Länder außerhalb Österreichs gründeten über die Jahre dem Werk Mahlers gewidmete Gesellschaften oder Stiftungen. Inwiefern der internationale Aufbau von Institutionen zur Förderung und Verbreitung des Werkes Gustav Mahlers in Zusammenhang mit Aktivitäten der IGMG steht bzw. von ihr initiiert wurde, ist Gegenstand zukünftiger Forschung.
Goldene Mahler Medaille, Gedenktafeln und Briefmarke
Bereits im Herbst 1957 wurde die erste Gedenktafel am Komponierhäuschen und am Trenkerhof in Toblach/Alt-Schluderbach (Südtirol) angebracht (Partsch 1995, 3 und Partsch 2005, 4 – hier findet sich fälschlicherweise das Datum 1958). In die Jahre der Präsidentschaft von Erwin Ratz fiel auch der hundertste Geburtstag von Gustav Mahler. Neben der Herausgabe einer Gedenk-Briefmarke veranstaltete die IGMG am 22. Juni 1960 im Großen Konzerthaussaal in Wien ein Festkonzert mit Festvortrag. Die Wiener Symphoniker spielten unter Jascha Horenstein Mahlers Neunte Symphonie, Festredner war Theodor W. Adorno.[12] Die Goldene Mahler Medaille für besondere Verdienste um die Mahlerinterpretation und -forschung wurde unter Ratz’ Präsidentschaft nicht weniger als dreizehn Mal verliehen.[13]
Bis zuletzt besuchte Erwin Ratz auch zahlreiche nationale und internationale Mahler-Veranstaltungen, wie anhand von drei Beispielen im Folgenden exemplarisch aufgezeigt werden soll: So nahm er 1966 am Mahlerfest in den Niederlanden teil. Dazu ist ein Bericht Herman J. Niemans an Ratz’ zweite Frau Inge erhalten, in dem von Ratz’ exakter, strenger und unabweichlicher Meinung zu den Mahler-Interpretationen die Rede ist (Nieman 1966). Über das 13. Internationalen Musikfest in Wien, das Ratz im Juni des darauffolgenden Jahres besuchte, schrieb er an seine Studentin Margot Unterberg Ähnliches:
Das Mahlerfest war irgendwie ein Erfolg: ich habe nur wenige Aufführungen mir angehört (V., VI., VII. und VIII.) alles andre war uninteressant, am schlimmsten Maazel mit der IX., was geradezu eine Idiotie war[14]; aber ich hatte ja keinerlei Einfluß auf die Gestaltung. (Bei einem telephonischen Interview des Kölner Rundfunks fragte mich der Herr, wie die Reaktion des Auslandes gewesen sei, da sagte ich: für das Ausland ist dieses Fest uninteressant, weil sie ja die Werke oft und viel besser zu hören bekommen. Es war eben ein Musikfest für geistig unterentwickelte Länder wie z.B. Österreich. Sie werden begreifen, daß so etwas großes Gelächter, aber bei unsern offitiellen [sic] wenig Freude hervorruft!). (Ratz 1967)
In seinem Todesjahr 1973 lehnte Ratz die Bitte von Otto Kolleritsch ab, ein Referat über Mahler und Schönberg im Rahmen des Mahler-Symposions in Graz vorzutragen, weil er sich aus gesundheitlichen und inhaltlichen Gründen außerstande sah; er nahm dann doch an der Veranstaltung teil, um diese „mit seinem bloßen Kommen“ zu ehren (Uz 1973).
Um die schwierige finanzielle Situation der Gesellschaft zu meistern, war die Suche nach Sponsoren ein weiterer essentieller Aufgabenbereich. Durch Spendenaufrufe an Privatpersonen und Institutionen versuchten Ratz und weitere Mitglieder der Gesellschaft das „eklatante Desinteresse der öffentlichen Stellen“ (Kubik 2020, 19) zumindest ein wenig zu kompensieren.
Unter der Präsidentschaft von Erwin Ratz entwickelte sich die IGMG zu einer gut vernetzen Organisation mit Mitgliedern aus vielen Teilen der Welt.[15] Seit der Gründung der Gesellschaft bis weit über seinen Tod hinaus war es für Ratz, den „Motor des ganzen Unternehmens“ (Bischof 2005, 1), eine Selbstverständlichkeit, für seine „Herzenssache Mahler“ seine Privatwohnung zur Verfügung zu stellen. Bis 1976 findet sich Ratz’ Adresse Obere Bahngasse 6/1/21, 1030 Wien auf den Briefköpfen der IGMG.[16] Emmy Hauswirth, Karl Heinz Füssl (Leitung der Gesamtausgabe), Friedrich C. Heller (publizistische Arbeit) und Kurt Blaukopf (Archiv) (Partsch 2005, 6) übernahmen das „Erbe Ratz“ und mit Gottfried von Einem als zweiten Präsidenten der IGMG[17] ist „es also weitergegangen“ – um mit Emmy Hauswirths Worten zu schließen (Blaukopf 2000, 38).
Quellen
Gustav Mahler Werkverzeichnis. [1958]. Archiv der Internationalen Gustav Mahler Gesellschaft, Wien.
Pressedienst der Wiener Philharmoniker (1955), „Internationale Gustav-Mahler Gesellschaft gegründet“, Pressedienst der Wiener Philharmoniker 3/18, 14. November 1955, Archiv der Internationalen Gustav Mahler Gesellschaft, Wien.
Ratz, Erwin (1954a), Brief vom 9. Oktober 1954 an Wolfgang Irtenkauf, Durchschlag, Nachlass Erwin Ratz, Wien.
Ratz, Erwin (1954b), „Gustav Mahler. Vortrag gehalten anläßlich einer Schallplattenaufführung der V. Symphonie in der Akademie für Musik und darstellende Kunst. Wien, am 15. November 1954“. Typoskript, Archiv der Internationalen Gustav Mahler Gesellschaft, Wien.
Ratz, Erwin (1954c), Brief vom 18. Dezember 1954 an Gusti Doderer-Kalmus, Durchschlag, Nachlass Erwin Ratz, Wien.
Ratz, Erwin (1955a), Brief vom 27. März 1955 an das Niederösterreichische Tonkünstlerorchester, Durchschlag, Nachlass Erwin Ratz, Wien.
Ratz, Erwin (1955b), Brief vom 14. Dezember 1955 an seine Tochter Brigitte Ratz, Durchschlag, Nachlass Erwin Ratz, Wien.
Ratz, Erwin (1967), Brief vom 2. Juli 1967 an Margot Unterberg, Studentin aus Freiburg im Breisgau.
Theodor Körner Stiftungsfonds (1966), Brief vom 23. April 1966, Nachlass Erwin Ratz, Wien.
Walter, Bruno (1961), Brief an Erwin Ratz, 4. Juli 1961, Archiv der Internationalen Gustav Mahler Gesellschaft, Wien.
Nieman, Herman (1966), Brief an Inge Ratz, 20. Mai 1966, Nachlass Erwin Ratz, Wien.
Uz, Theodor (1973), Zeitungsartikel über das Mahler-Symposion in Graz, 2. Juni 1973, Nachlass Erwin Ratz, Wien.
Literatur
Bischof, Rainer (2005), „Zum Jubiläum der Internationalen Gustav Mahler Gesellschaft“, Nachrichten zur Mahler-Forschung 52, 1–3.
Blaukopf, Herta (2000), „Abschied von Emmy Hauswirth (1918–1999)“, Nachrichten zur Mahler-Forschung 42, 38–39.
Blaukopf, Herta (2005), „Als Mahlers Zeit noch nicht gekommen war. Aus den frühen Dokumenten der Internationalen Gustav Mahler Gesellschaft“ [1980], Nachrichten zur Mahler-Forschung 52, 11–17.
Blaukopf, Herta (2022), „Erwin Ratz: ein kritischer Freund“, in: Der Dirigent Hans Swarowsky (1899–1975). Musik, Kultur und Politik im 20. Jahrhundert, hrsg. von Markus Grassl und Reinhard Kapp, Wien: Böhlau, 755–762.
NMF (1998), „Erwin Ratz (1898–1973). Zum 100. Geburtstag und 25. Todestag“, Nachrichten zur Mahler-Forschung 39, 30 (redaktioneller Beitrag).
Kretz, Johannes (1996), Erwin Ratz – Leben und Wirken (Studien zur Wiener Schule 1, Bd. 4), Frankfurt a. M.: Lang.
Krones, Hartmut (2010), „Selbst Egon Wellesz konnte nicht vermitteln. Erwin Ratz, Mahler-Gesellschaft und Mahler-Artikel der MGG“, Österreichische Musikzeitschrift 65/2, 20–35.
Kubik, Reinhold (2020), „‚Wir wollen doch beide derselben großen Sache dienen‘. Die Internationale Gustav Mahler-Gesellschaft und der Verlag Bote & Bock“, Nachrichten zur Mahler-Forschung 74, 7–24.
Partsch, Erich Wolfgang (1995), „Vierzig Jahre Internationale Gustav Mahler Gesellschaft“, Nachrichten zur Mahler-Forschung 34, 3–4.
Partsch, Erich Wolfgang (2005), „Fünfzig Jahre Internationale Gustav Mahler Gesellschaft in Zahlen und Bildern“, Nachrichten zur Mahler-Forschung 52, 4–10.
Revers, Peter (2023), Im Dienste der Musik Mahlers. Die Internationale Gustav Mahler Gesellschaft (IGMG). Veröffentlicht am 27.4.2023, zuletzt aktualisiert am 7.11.2023. https://www.gustav-mahler.org/diegesellschaft/geschichte
* Der Beitrag entstand anlässlich der Ausstellung Erwin Ratz: Musiktheoretiker – Bäcker – Humanist. Momentaufnahmen eines Lebens. Anlässlich des 125. Geburtstages und 50. Todestages, Bezirksmuseum Wieden, Klagbaumgasse 4, 1040 Wien, 29. November 2023 bis 26. Juni 2024 im Kontext der EislerTage Wien 2023, https://www.mdw.ac.at/upload/MDWeb/iatgm/downloads/EislertagWien2023Flyer6seitigweb.pdf. Alle Weblinks wurden zuletzt am 10.11.2023 geprüft.
[1] Ratz bezieht sich auf das Konzert am 20. März 1955. Das Niederösterreichische Tonkünstlerorchester spielte das 11. Sonntag-Nachmittagskonzert im Großen Musikvereinssaal in Wien. Neben Mahlers Fünfter Symphonie stand Robert Schumanns Konzert für Violoncello und Orchester op. 129 auf dem Programm. Solistin war Senta Benesch, am Dirigentenpult stand Gustav Koslik (https://www.gustav-mahler.org/libraryid/10442).
[2] Möglicherweise begleitete Ratz im Jahr 1920 Schönberg, der auf Einladung von Willem Mengelberg nach Amsterdam fuhr, um einem Zyklus von Aufführungen sämtlicher Mahler-Symphonien im Rahmen des Mahler Festes beizuwohnen. Er besuchte auch Vorlesungen am Musikhistorischen Institut der Universität Wien bei Guido Adler. 1916 erschien bei der Universal-Edition Adlers Mahler-Biographie, die Ratz sicher kannte (Kretz 1996, 96).
[3] Dazu aus den Erinnerungen von Ratz: „[…] so wurden damals alle Komponisten von Debussy bis Strawinsky, Webern und Hauer aufgeführt in Aufführungen unerhörter Sauberkeit und Klarheit. Darunter waren auch Mahler-Symphonien […]. Natürlich hatten wir kein Geld für Orchesterkonzerte, sondern mußten uns mit vierhändigen Wiedergaben der Werke begnügen. Allerdings standen uns damals die besten Pianisten zur Verfügung, die es in Wien gab […] Eduard Steuermann und […] Ernst Bachrich. Ich kann Ihnen sagen, da war der Geist Mahlers auch ohne Orchester hundertprozentig da.“ (Ratz 1954b, 19)
[4] Seine Überlegungen brachte er klar in einem Brief vom 18. Dezember 1954 an Gusti Doderer-Kalmus zum Ausdruck: „Du wirst ja inzwischen mein erstes Rundschreiben der IGNM bekommen haben, aus dem Du ersiehst, daß ich die Leitung der österreichischen Sektion der IGNM übernommen habe. Das bedeutet enorm viel Arbeit und kein Verdienst, weil das ehrenamtlich ist. […] Die IGNM lag zwei Jahre still, weil niemand da war, der sie weiter führen hätte können. […] Und so habe ich mich entschlossen […] den Laden weiterzuführen, aber so wie ich es für richtig halte. […] Ich will solistische und Kammermusikwerke in Natura aufführen, aber Orchesterwerke in guten Schallplatten und Bandaufführungen. Da mir die Arbeit für Mahler so sehr am Herzen liegt, wollte ich schon aus diesem Grunde einen Rahmen haben, etwas für Mahler tun zu können. Dazu brauche ich aber Geld, um Apparate, Schallplatten etc. kaufen zu können, und das kann ich nur durch die IGNM.“ (Ratz 1954c)
[5] Die Initiative der Gründung ging auf Helmut Wobisch, Geschäftsführer der Wiener Philharmoniker zurück. Erwin Ratz wurde Präsident, Vorstandsmitglieder waren u. a. Theodor W. Adorno, Ernst Krenek, Rafael Kubelík, Willem Mengelberg und Georg Solti, als einziges Ehrenmitglied ist Alma Mahler dokumentiert, Bruno Walter wurde Ehrenpräsident. Für weitere Informationen zur konstituierenden Generalversammlung siehe Partsch 1995, 3–4 sowie Pressedienst der Wiener Philharmoniker 1955.
[6] „[…] Du kannst dir vorstellen, was für eine Riesenarbeit der Aufbau so einer Gesellschaft bedeutet. Ich habe es mir lange überlegt, ob ich es machen soll. Da ich aber niemanden wusste, der es machen hätte können, so habe ich mich doch dazu entschlossen. Es heißt jetzt nur auch die nötigen Geldmittel auftreiben. Denn es soll kein kleiner Verein bleiben, sondern etwas wirklich großes geleistet werden. Ich habe gesagt, daß ich die Leitung nur übernehme, wenn wir mit einem Jahresbudget von mindestens 50.000 S rechnen können. Nun wir werden ja sehen, was die anderen Herren des Vorstandes leisten werden. Ich habe ferner verlangt, daß ich eine Sekretärin bekomme, da ich die technische Arbeit unmöglich selber machen kann. Ich rechne mit einem Mitgliederstand von tausend Menschen und Du kannst Dir vorstellen, wieviel[e] Brief[e] man schreiben muß, um das zusammen zu bekommen. Ich habe also bereits eine Sekretärin, die wirklich erstklassig ist, und wir sind mit Volldampf an der Arbeit.“ (Ratz 1955b)
[7] Als Druckfehler hat sich auf Seite 22 dieses Artikels der 11. Februar (statt 11. November) 1955 als Gründungsdatum der IGMG eingeschlichen. Im „Fall Redlich“ eröffnete sich für Ratz neben dem MGG-Schauplatz mit der Neuauflage der Studienpartitur der Siebten Symphonie beim Verlag Eulenburg eine zweite Front. 1955 wandte er sich an den Verlag mit der Frage nach einer Neuauflage, welche aufgrund mangelnder Nachfrage negativ beantwortet wurde. Die Taschenpartitur wurde nichtsdestotrotz fehlerhaft ohne Berücksichtigung der Revision durch die IGMG nachgedruckt. Beide Vorfälle führten letztendlich zum Ausschluss von Hans Ferdinand Redlich aus der Gesellschaft (Kubik 2020, 22).
[8] Im Archiv der IGMG finden sich Ausgaben des Verzeichnisses, in denen Bruno Walters Name rechts unter den einleitenden Worten gedruckt ist und der Name Erwin Ratz durch einen Stempel links daneben hinzugefügt wurde (Gustav Mahler Werkverzeichnis [1958]).
[9] Die gesamte Entstehungsgeschichte der revidierten Neuauflage der Siebten Symphonie beschreibt Kubik 2020.
[10] Partsch 2005, 6.
[11] Ebd., 4.
[12] Blaukopf 2022, 760.
[13] 1958: Carl Schuricht, Eduard van Beinum, Concertgebouworkest Amsterdam, Rotterdam Philharmonisch Orkest, Eduard Flipse und Herman J. Nieman; 1960: Rafael Kubelík und Dimitri Mitropoulos; 1966: Utrecht Orkest, Dresdner Philharmonie; 1967: Leonard Bernstein; 1969: Wiener Symphoniker, 1971: Bernard Haitink. https://www.gustav-mahler.org/die-gesellschaft/goldene-mahler-medaille.
[14] Die Aufführung der Neunten Symphonie unter Lorin Maazel mit dem Radio-Symphonieorchester Berlin fand am Sonntag, 18. Juni 1967, im Großen Saal des Wiener Konzerthauses statt (https://konzerthaus.at/konzert/eventid/28032).
[15] 1963 zählte die IGMG 507 Mitglieder, unter ihnen Rafael Kubelík, Georg Solti, Hilde Güden, Dietrich Fischer-Dieskau, Ernst Krenek, Luigi Dallapiccola und Egon Wellesz (Blaukopf 2022, 756).
[16] 1976 wurde eine Wohnung am Wiedner Gürtel 6, 1040 Wien angekauft. Diese ist bis heute Sitz der IGMG (vgl. Partsch 1995, 4).
[17] Danach folgten Rainer Bischof, Christian Meyer und Peter Revers. Aktuell ist Christian Utz Präsident der IGMG.